Im Anfang ist das Buch.
Die Sprache ist etwas Wunderbares: Wir können einfache Sätze, Aussagen formulieren, die Jahrtausende überdauern, durch alle Zeiten millionenfach wiederholt werden, in unzählige Sprachen übersetzt werden, die Grundlage ganzer Denkgebäude bilden - und wenn wir sie dann näher ansehen, sie zu verstehen versuchen, stellen wir fest, dass ihr Sinn merkwürdig unscharf ist, unklar oder gar verwirrend, dass schon die Wörter, aus denen sie aufgebaut sind, unklar oder unverständlich sind oder in irreführender oder auch grammatikalisch fragwürdiger Weise gebraucht werden.
de que un libro no debe revelar las cosas;
un libro debe, simplemente,
ayudarnos a descubrirlas.
Du liest jetzt diesen Text. Das ist eine wahre Aussage. Ist das nicht seltsam? Wie kann es sein, dass ein Text, der irgendwann und irgendwo geschrieben wurde, weiß, dass du ihn jetzt und hier liest?
Du liest, also ist da ein Text.
Dieser Text ist - sobald wir über ihn sprechen wollen - wie jedes Objekt eine Konstruktion, die sich in der Auseinandersetzung mit ihm bildet. Die Besonderheit des Texts im Vergleich zu anderen Objekten ist, dass er selbst aus Sprache besteht und wir gleichzeitig Sprache benutzen, um über ihn zu sprechen - und ihn in eben diesem Sprechen produzieren. Du solltest dich also nicht der Illusion hingeben, dass dieser Text als solcher existiert, sondern sei dir bewusst, dass du ihn durch das Lesen (das ja auch ein Sprechen beinhaltet) konstruierst, produzierst, zum Erscheinen bringst. Von daher ist es dann auch nicht mehr verwunderlich, dass der Text wahre Formulierungen in Bezug auf dich und dein Lesen enthält.
Der natürliche Ausgangspunkt unserer Geschichte ist also der Prozess des Lesens. Wir treffen hier auf eine erste, sehr konkrete Erkenntnis: Du liest jetzt diesen Text. Mit diesem Vorgang setzen wir uns auseinander, ihn versuchen wir zu beschreiben, vielleicht sogar zu erklären. Wir wenden uns den in dieser Erkenntnis, dieser Aussage verwendeten Begriffen zu, analysiseren sie, überprüfen ihre Verwendung, ziehen Schlussfolgerungen. Aus dieser Beobachtung des Lesens generiert sich also dieser Text - so wird das Schreiben zur Konsequenz des Lesens.
Wir wollen dabei nicht rekonstruieren, wie dieser Text entstanden ist - die Vergangenheit ist als Konstruktion der Erinnerung für das Verständnis des Texts nicht relevant. Worauf können wir uns also stützen, was kann uns helfen, nicht nur den Text zu verstehen, sondern auch die Welt sichtbar zu machen, in der er lebt und die er beschreibt?
Und wo bleibt das Schwebende, Leichte, die Dynamik des Absurden? Wir brauchen mehr Mut zum Aphorismus, zum kurzen Aufblitzen der Erkenntnis - es wird nicht gelingen, die Welt, das Leben, das Denken in eine logisch konsequente, wissenschaftlich klingende Beschreibung zu packen. Aber diese Herausforderung kann, soll, muss benannt, diskutiert werden. Wir beginnen zu reden, zu erklären, zu fragen, zu analysieren - und dann treten wir einen Schritt zurück und blicken auf das, was da geschrieben steht. Und aus dieser Kritik und der Analyse und Kritik der Kritik entsteht der Text. Aber wo bleibt dabei das Schwebende, Leichte, die Dynamik des Absurden?
Es gibt da diese Einwürfe, Kommentare, manchmal auch Fragen … 1
Sind nicht Fragen sinnlos?
… auf die wir nicht unbedingt reagieren müssen. Ja, Antworten sind irreführend, wozu also Fragen? Ob diese Einwürfe zur Erhellung beitragen, magst du selbst entscheiden, zumindest dienen sie der Auflockerung, geben also dem Text eine gewisse Leichtigkeit oder zumindest Erleichterung. Wie die Löcher (Luftblasen) im Emmentaler sind sie ein Nebenprodukt der Entstehung des Texts, tragen aber nichts zur (in diesem Fall geistigen) Sättigung bei.
Die Entstehung eines Texts - und das gilt in besonderem Maß für diesen Text - ist immer etwas, was aus dem Text selbst hervorgeht, in ihm implizit oder explizit enthalten ist. Warum ist die Entstehung eines Texts interessant? Ist es einfach eine grundsätzliche Neugier? Glauben wir, besser zu verstehen, was uns der Text sagen will, wenn wir wissen, von wem, unter welchen Umständen, warum, wozu er geschrieben wurde?
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Diese Einwürfe sind keine Erläuterungen, bringen eher einen Widerspruch oder eine abweichende Meinung zum Ausdruck als eine Ergänzung. Ergänzende Informationen packen wir eher in solche Fußnoten oder in Verweise auf andere Seiten. ↩︎