100-002

Sprache, Sprechen: Was ist der Unterschied zwischen der Erzeugung von Lauten und ihrer Wahrnehmung? Was ist dazwischen? Was ist ein Laut?

100-183

Im Anfang ist das Buch, und das Buch ist bei dir, und du bist das Buch.

Zu II (Fülle): Die Einheit, Ganzheit der Welt zeigt sich auch darin, dass dein Denken nicht einfach von deinem Gehirn produziert wird, sondern dass daran viel mehr beteiligt ist: dein Körper, deine Umgebung, ja das ganze Universum, das dein Denken beeinflusst, bestimmt, formt.

In der Gegenwart ist jede (vermeintliche) Zusammenführung von Teilen in der Vergangenheit zu einem aktuellen Ganzen eine Re-Konstruktion, es gibt nur das aktuelle Ganze, die Teile existieren nur in der Vorstellung. Es gibt also nur das Zeichen als Ganzes; Signifikant und Signifikat sind in die Vergangenheit projizierte Erfindungen.

100-184

Zu VIII (Ich): Wenn du sprichst, sprich nicht von dir, das interessiert niemanden. Sag auch nicht: “Meine Welt”. Du kannst nicht erzählen, was du erlebst, du kannst nur erzählen, was diejenigen, zu denen du sprichst, selbst erleben können.

Dieses Wort “Ich”, das ist die größte Falle, die uns die Sprache stellt. Wir meinen, dort wäre etwas, nur weil es ein Wort dafür gibt.

100-186

Du schreibst etwas auf, Notizen, vielleicht einen Tagebucheintrag, einen Brief, eine Nachricht - woher kennst du die Sprache, die Schrift? Woher nimmst du die Gewissheit, dass jemand - vielleicht auch du selbst - das Geschriebene irgendwann wird lesen und verstehen können? Und wer könnte außer dir noch dieser “jemand” sein?

Die Welt, die du bist, ist offensichtlich in der Lage, sich selbst zu äußern, zum Ausdruck zu bringen, in einer Form, die an anderer Stelle oder zu einer anderen Zeit wieder verstanden werden kann, von wem oder was auch immer.

100-189

“Der allergrößte Leib, darin alle anderen Leiber enthalten sind, nämlich die ganze Welt, erhält Gott ohne eine Stelle, darum hat die Welt keine Stelle, darin sie ist.” (Martin Luther)

100-190

Zu I (Ende): Wir sprechen vom Ende des bisherigen Lebens, dem Ende der Vorstellung der Objektivität, einer falsch verstandenen und überzogenen Vernunft. Dieses Ende, das zum Umkehr-, zum Wendepunkt deines Weges wird, bildet den Anfang des Buchs.

100-191

Wenn Geschichte (allgemein Vergangenheit) die Re-Konstruktion aus Spuren in der Gegenwart bedeutet, ist tatsächlich die Einbildungskraft das wesentliche Element jeder Beschäftigung damit.

Gefragt sind also Fantasie, Subversion und daoistisch-systemisches dadaistisch-paradoxes anarchisches Nicht-Handeln. Wie könnte sich das konkret äußern? Kein Ziel, kein Weg, keine Schritte.

100-194

Woher kommt diese seltsame Überheblichkeit gegenüber den Kulturen früherer Zeiten, diese Rede von archaischen und primitiven Gesellschaften? Und dann ist da auch noch die Vorstellung einer gewissermaßen mechanischen Entwicklung in Form von Ursache-Wirkungs-Beziehungen vom Einfachen, Primitiven, Selbstgenügsamen, Geschichtslosen zu unserer westlichen Hochkultur, die jene primitive Vergangenheit (und andere noch in der Gegenwart existierende primitive Kulturen) zu betrachten und zu analysieren vermag.

Aber der Vorstellung von Geschichte als eines Entwicklungsprozesses (zum Besseren oder zum Schlechteren) kann man sich schwer entziehen. Aber beginnen wir doch in der Gegenwart und schreiten dann fort auf den Spuren in die Vergangenheit! Dabei offenbart jeder Schritt, jedes Ereignis seine unmittelbare Beziehung zum Jetzt, zu einem doppelten Jetzt, dem des Schreibens und dem des Lesens.

100-196

Die Vorstellung, dass die Erde den Mittelpunkt des Universums bilde und alle anderen Himmelskörper - insbesondere die Sonne - um die Erde kreisen, kommt durch eine inkonsequente oder inkonsistente Begriffsbildung zustande. Es geht um den Begriff des Raums und seine radikal unterschiedliche Bedeutung in einer (angeblich objektiv) beobachtbaren Welt gegenüber der Bedeutung in einer sich selbst erlebenden Welt.

Als erlebende Welt lokalisierst du dich im Zentrum eines Raums des Imaginären, wodurch du auch dein soziales Umfeld (Familie, Gesellschaft, Menschheit) ebenso wie deinen Lebensraum (Dorf, Land, Erde) als Mitte dieses Raums empfindes. Wenn du nun diesen persönlichen Raum in einer objektivistischen Sichtweise mit dem - als objektiv angenommenen - Universum gleichsetzt, ergeben sich jene Fehlinterpretationen: Die Erde im Mittelpunkt, der Mensch als Krone der Schöpfung.

100-198

Zu XIV (Zeit): Geschichte ist die permanente Re-Konstruktion der Vergangenheit aus Zeichen (Spuren) in der Gegenwart durch das universale Wir.

100-201

Der Begriff der Konstruktion für die Erschaffung der Geschichte durch das universale Wir, für das Erscheinen der Welt als dein Wahrnehmen und Denken ist irreführend. Es ist hier ja nichts, was - vielleicht sogar nach einem Plan - geformt oder aufgebaut wird, es gibt nicht den bekannten und üblichen Prozess des Entwickelns und Konstruierens. Passt nicht doch die Imagination, Fantasie, Einbildungskraft, Erfindung, Fiktion besser hierher? Es steht auch kein aktives Handeln (oder gar Wollen) dahinter - es ergibt sich alles von selbst, absichtslos, unkontrolliert und unkontrollierbar, anscheinend unvermeidlich.

Zu V (Himmel): Imagination - Nicht-Tun.

100-365

Wenn unsere Vorstellung von der Welt historisch bedingt ist, dann ist auch die Vorstellung von der historischen Bedingtheit unserer Vorstellung historisch bedingt. Was bleibt dann noch? Wir müssen nicht einmal unsere Vorstellung von der Geschichte in Frage stellen, um zu bemerken, dass diese Deutung widersprüchlich ist.

100-366

Wenn alles (alles!) dein Erleben ist, dann stülpt sich die Welt um, jener Bereich, der bisher dein fiktives Innen war, ist nun das Außen, die Realität, und die Materie wird zur Fiktion.